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Urvolk Indogermanen - Abstammung und Herkunft

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Was ist die Indogermanistik?

Der Deutsche Franz Bopp (1791-1867) brachte 1816 in seinem Buch "Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache" den methodischen Beweis für die Verwandtschaft dieser Sprachen und begründete damit die deutsche Indogermanistik. Der Begriff "indogermanisch" orientiert sich an den geographisch am weitesten voneinander entfernt liegenden Sprachgruppen des (vorkolonialen) Verbreitungsgebietes, den indoarischen Sprachen im Südosten (mit Singhalesisch auf Sri Lanka) und den germanischen Sprachen mit dem Isländischen im Nordwesten.
Die indogermanischen Sprachen werden als genealogisch verwandt betrachtet, d. h. als "Tochtersprachen" einer "Muttersprache", des nicht mehr erhaltenen Urindogermanischen. Diese indogermanische Ursprache ist die nicht belegte, aber durch sprachwissenschaftliche Methoden erschlossene gemeinsame Vorläuferin der indogermanischen Sprachen. Es ist eine der bedeutenden Leistungen der Sprachwissenschaftler seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, aus der Untersuchung der Gemeinsamkeiten und der systematischen Unterschiede der indogermanischen Sprachen weitgehend das Vokabular und die grammatische Struktur dieser Ursprache plausibel rekonstruiert zu haben. Bei der Rekonstruktion stützt man sich vor allem auf Gemeinsamkeiten der grammatischen Formen und auf verwandte Wörter.
Während für diese Sprachfamilie im deutschen Sprachgebrauch die Bezeichnung bei "Indogermanisch" blieb, ist international die Bezeichnung "Indoeuropäisch" üblicher. Dementsprechend wird die Ursprache dann als "Proto-Indoeuropäisch" bezeichnet. Die räumlichen und zeitlichen Einordnungen dieser Sprache haben als spekulativ zu gelten. Ausgehend von Wortstämmen, die allen indogermanischen Sprachen gemeinsam sind, versucht die Ethnolinguistik, in Zusammenarbeit mit der Archäologie das Ursprungsgebiet der Indogermanen zu bestimmen und mit prähistorischen Völkern oder Kulturen in Verbindung zu bringen. Bei der Frage nach einer Urheimat ist allerdings immer zwischen einer hypothetischen sprachhistorischen Rekonstruktion örtlicher Einflußgrößen im Rahmen der Herausbildung der frühesten faßbaren indogermanischen Wurzelwörter und demgegenüber einer Identifikation von Volk, Sprache und Raum (Kontinuitätstheorie) zu unterscheiden.
Einige Hypothesen sind erheblich vom Nationalismus geprägt oder wurden von einer Ideologie vereinnahmt (z. B. im Nationalsozialismus).
Sprachwissenschaftler, die eine Protosprache beschreiben, versuchen oft, archäologische Evidenzen für diese Protosprache zu finden, und mitunter (aber seltener) versuchen Archäologen, die eine Kultur beschreiben, in Ermangelung historischer Daten sprachwissenschaftliche Evidenzen zu finden. Dies ändert nichts daran, daß ein Zusammenhang zwischen Protosprachen und Kulturen prinzipiell hypothetisch ist, so daß zwar allgemein von Gesellschaften gesprochen werden kann und die Sprechergemeinschaft der linguistisch rekonstruierten Protosprache ganz oder teilweise Träger der betreffenden archäologischen Kultur gewesen sein könnte, wohingegen jedoch nicht mit Bestimmtheit behauptet werden kann, diese Gesellschaften seien ein Volk gewesen oder ihre Sprache wäre auf die Kulturebene begrenzt gewesen.

Wo liegen Ursprungsregion und Siedlungsgebiete der Indogermanen?

Die Gemeinsamkeiten der bekannten indogermanischen Sprachen setzen letztlich gemeinsame linguistische Vorstufen und eine geographisch enger oder weiter begrenzte „Urheimat“ bzw. ein bestimmtes Ausprägungsgebiet voraus, in dem die ursprüngliche Sprache vielleicht entstanden ist oder zumindest zu einem gewissen historischen Zeitpunkt real gesprochen wurde.
Diese Ursprungsregion ist sowohl in Vorderasien, im Kaukasus, aber auch in verschiedenen anderen Regionen gesucht worden. Geographische Eingrenzungen, die sich einseitig auf entweder archäologische oder sprachhistorisch-vergleichende oder humangenetische Daten stützen, lassen mehrere Alternativen zu. Bei einer interdisziplinären Auswertung des verfügbaren Datenmaterials allerdings scheiden die meisten der von den Einzelfachdisziplinen vorgeschlagenen Urheimathypothesen aus.
Die Verbreitung des Ackerbaus von Kleinasien nach Europa ist in eine direkte Beziehung zur Ausbreitung indogermanischer Populationen und deren Sprachen gesetzt worden. Bei diesem Erklärungsversuch entstehen chronologische Probleme. Der Ackerbau, dessen Verbreitung im 7. Jahrtausend v. Chr. in Südosteuropa begonnen hatte, gelangte um 5500 v. Chr. nach Osteuropa, zu einer Zeit, als Indogermanen dort bereits gelebt haben. Darauf weist die Siedlungskontinuität zwischen Don und Wolga und nordwestlich des Kaspischen Meeres.
Erkenntnisse der Archäologie, der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft und der Humangenetik lassen sich dagegen zwanglos in Wechselbeziehung bringen, wenn man von der These ausgeht, daß die Indogermanen ursprünglich in Osteuropa siedelten und daß die dort ansässigen Bevölkerungsgruppen in mehreren Wellen nach Westeuropa einerseits, nach Zentralasien und darüber hinaus ins iranische Hochland und nach Indien migriert sind. Das Baltikum ist eine Zone früher indogermanischer Ausbreitung, die von der Tiefebene der Wolga ihren Ausgang nahm. Dort finden sich noch sehr alte sprachliche Spuren in Fluß- und Gewässernamen.
Im ursprünglichen Siedlungsgebiet der Indogermanen ist eine vielschichtige Abfolge verschiedener Kulturschichten im Horizont der Zeit zu erkennen (Elschan-Kultur des 7. Jahrtausends v. Chr., Samara-Kultur ca. 6000-5000 v. Chr., Chwalynsk-Kultur im Steppen- und Waldgürtel der mittleren Wolga zwischen 5000 und 4500 v. Chr., Sredni Stog ca. 4500-3350 v. Chr.).
Die indogermanischen Bevölkerungsgruppen haben schon früh in kulturellen und sprachlichen Kontakten mit Nachbarvölkern gestanden. Zu den ältesten Kontakten gehören die zu den Uraliern der Waldzone nördlich der indogermanischen Urheimat; sie gehen auf das 6. Jahrtausend v. Chr. zurück. Im 5. Jahrtausend v. Chr. setzten die Kontakte der Indogermanen mit ihren Nachbarn im Süden, den Kaukasiern, ein. In jene Periode fallen auch die früheren Berührungen indogermanischer Steppennomaden mit den Alteuropäern im nordwestlichen Küstengebiet des Schwarzen Meeres (Region von Varna in Bulgarien).
Die Namen, die sich die frühen Indogermanen und ihre lokale Gruppen gegeben haben, sind nur zum Teil bekannt (Arier). Das Verbreitungsgebiet indogermanischer Völker und Sprachen erstreckt sich von Westeuropa bis in den Indischen Subkontinent und nach China (Tarimbecken). Im Laufe der Ausbreitung hat sich der ursprünglich proto-indogermanische Komplex zunehmend aufgelöst in regionale Gravitationen mit kultureller und sprachlicher Sonderentwicklung.

Was geschah bei der Ausbreitung der Indogermanen?

In der Wissenschaft wird auch intensiv diskutiert, wie sich Sprache und Kultur der Indogermanen im späteren indogermanischen bzw. indoarischen Sprachraum ausgebreitet haben (Sprachkontakt). Die Vorstellungen reichen von einer Invasion der Indogermanen nach Europa und Indien, über eine allmähliche Infiltration und Vermischung bis hin zur reinen Weitergabe von Sprache und kulturellen Errungenschaften ohne nennenswerten genetischen Austausch.
Gemäß der Kurgan-Hypothese von Marija Gimbutas sind die Indogermanen zwischen 4400 und 2200 v. Chr. in mehreren Wellen west-, süd- und ostwärts gezogen. Als Auslöser sieht sie eine lange Dürre.
Überall in Mittel- und Westeuropa trafen indogermanische Migranten auf nicht-indogermanische Populationen. Diese wurden allmählich verdrängt, assimiliert, oder es entstanden regionale Mischkulturen wie die der Keltiberer, mit einer Fusion nicht-indogermanischer (Iberer) und indogermanischer (Kelten) Elemente.

Wer waren die Alteuropäer?

Die Theorie des vorindogermanischen Alteuropa hängt von der Annahme ab, daß die Ausbreitung der indogermanischen Sprache mit einer physischen Einwanderung einer neuen Bevölkerung einhergehe. Daher werden europäische Kulturen vor den Indogermanen als „alteuropäisch“ bezeichnet.
Die „Alteuropäer“ waren frühe Ackerbauern, die zur Jungsteinzeit in Europa ansässig waren. Es handelt sich um vor-indogermanische Bevölkerungsgruppen, deren Verbreitung in der Antike sich mit Hilfe der Erkenntnisse der Humangenetik feststellen läßt. Die Völker der damaligen Zeit haben ihren genetischen „Fingerabdruck“ im Genomprofil späterer Populationen hinterlassen.
Zu den vorindogermanischen Völkern des Alten Europas zählen (teilweise auch anatolischer Herkunft):
- die Basken,
- die Etrusker,
- die Pelasger,
- die Leleger,
- die Iberer,
- die Ligurer (unsicher),
- die Räter,
- die Sikanen,
- die Elymer,
- die Minoer,
- die Lusitanier (fraglich),
- die Bandkeramiker,
- die Vinca-Kultur
und andere.
Sie gelten als älter als die keltischen Stämme, wurden von diesen aber zum größten Teil assimiliert, bevor diese wiederum vor allem sprachlich von den Italikern romanisiert wurden. Andere, wie die Pelasger und Leleger, wurden angeblich von griechischen Stämmen assimiliert oder bestehen, wie die Basken, bis heute als sprachliche Einheit fort.

Was waren die Kurgan-Wanderungen?

Zahlreiche Indogermanisten versuchten, durch Analyse der manchen indogermanischen Sprachen gemeinsamen Pflanzen- und Tierbezeichnungen, die demnach Bestandteil der indogermanischen Ursprache sind, die Urheimat ihrer Träger zu ermitteln. Diese Ansätze stehen wegen der häufigen Bedeutungswechsel in der Kritik. Allerdings weisen die gemeinsamen Pflanzen- und Tiernamen auf mittlere bzw. gemäßigte Breiten und aufgrund von Lehnwörtern auf frühe Kontakte mit Sprechern uralischer und altaischer Sprachen hin.
Diese Überlegungen und Sprachanalysen weisen in der heute mehrheitlich vertretenen Kurgan-Hypothese als Ausbreitungszentrum auf ein Gebiet in Südrußland, auf Viehhirten, die nicht mehr Jäger und Sammler waren und – analog zu entsprechenden Begriffen in der indogermanischen Grundsprache – vermutlich einen rudimentären Ackerbau betrieben. Gemeinsame indogermanische Bezeichnungen des Ackerbaus, wie z. B. Pflug, als auch des Transports wie Rad, Wagen und Joch legen nahe, daß die indogermanischen Stämme sich erst nach Übernahme des Wagentransports (zunächst von Ochsen gezogen) ausbreiteten. Danach können sie nicht die Träger der ersten Ackerbaukulturen gewesen sein, die im Alt-Neolithikum von Kleinasien nach Europa wanderten, sondern erst relativ späte (ca. 3600–2600 v. Chr.) Migranten. Bereits im 7. Jahrtausend v. Chr. hatte das trockene Klima nördlich des Schwarzen Meeres zur Versteppung der Landschaft geführt. Die südrussische Steppe ist damals entstanden. Die Menschen der Region paßten ihre Lebensweisen der kargen Umgebung an, sie wurden Viehnomaden. Zuerst wurde das Pferd gezähmt, dann der wilde Stier, die Ziege und das Schaf. Diese Viehnomaden waren Indogermanen. Um 5500 v. Chr. gelangte die Kenntnis der Bodenbebauung mit nicht-indogermanischen Ackerbauern von Westen her in die Region der Viehnomaden. Der Steppenboden war wenig ergiebig, und man brauchte größere Anbauflächen als auf den fruchtbaren Böden weiter im Westen. Das Gebiet, durch das die Viehnomaden mit ihren Herden zogen, wurde schrittweise eingeengt. Ausgelöst durch den Siedlungsdruck im Westen wurde die nomadische Bevölkerung weiter im Osten zu schrittweisen Migrationsschüben veranlaßt. Diese weiträumigen Wanderbewegungen der Viehnomaden werden in Anlehnung an die sichtbaren Zeichen der Totenbestattung ihrer Kriegerelite, monumentale Grabhügel („Kurgan“ genannt), als „Kurgan-Migrationen“ bezeichnet. Es gab drei Kurgan-Wanderungen:
• Kurgan I: zwischen ca. 4500 und 4300 v. Chr.; Zielgebiete: Areal der Suvorovo-Kultur (Moldawien, Unterlauf der Donau in Rumänien, Nordost-Bulgarien), Donautal, Südungarn;
• Kurgan II: ca. 3500 v. Chr.; Zielgebiete: Inlandgebiete auf dem Balkan jenseits der Flußtäler, Vordringen bis in die Alpenregion;
• Kurgan III: ca. 3100-2900 v. Chr.; Zielgebiete: Adriaküste, Albanien, Nord- und Ostseeküste, Baltikum und Südskandinavien.
Mit der dritten Welle gelangten Indogermanen bis nach Albanien und Nordgriechenland. Dort überlagerte ihre Kultur die der alteingesessenen Bevölkerung. In der Periode zwischen 2300 und 2200 v. Chr., das heißt gegen Ende der frühhelladischen Periode, fand der entscheidende kulturelle Umbruch statt. In jener Region bildete sich damals ein bestimmtes ethnokulturelles Profil aus, das spätere Griechentum.
Die Kurgan-Hypothese postuliert einen raschen gesellschaftlichen Umbruch, dem die älteren, seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. faßbaren neolithischen Kulturen in weiten Teilen Europas zum Opfer fallen. Die sozial nicht geschichteten und vermutlich matrilinearen Bauernkulturen werden von einer patriarchalischen und feudal gegliederten indogermanischen Erobererschicht überlagert, die aufgrund ihrer kriegerischen und technologischen Überlegenheit und trotz beträchtlicher zahlenmäßiger Unterlegenheit ihre Sprache und Gesellschaftsstruktur durchsetzt.
Die Kurganhypothese von Marija Gimbutas ist aus den verschiedensten Gründen umstritten, genauso wie alle anderen Hypothesen zur indogermanischen Urheimat. Diskutiert wird in der Archäologie, ob die Kurgankulturen wirklich Hirtennomaden waren, welche Rolle das Reiten oder Reiterkrieger bei der angenommenen Expansion der Kurganleute nach Südost- und Mitteleuropa gespielt haben können und ob es genügend Belege für eine Einwanderung von Kurganleuten als mögliche Sprecher des Indogermanischen gibt. Ebenso werden sprachwissenschaftliche und genetische Belege für die vermutete Wanderungsbewegung diskutiert.
Die Hypothese von Marija Gimbutas paßt aber am besten zum sprachlichen Befund, wonach die Indogermanen nicht zu Beginn des Neolithikums nach Europa kamen, sondern erst in relativ später Zeit im 3. Jahrtausend v. Chr. nach Westen vorstießen. Mit diesen vermuteten Wanderungen breitet sich auch das Pferd wieder nach Westen aus.
Eine 2015 veröffentlichte genetische Studie von Forschern der Harvard Medical School in Boston stützt Gimbutas Theorie. Die Forscher wiesen zwei Einwanderungswellen nach Europa nach. Zuerst kamen zwischen 5000 und 6000 v. Chr. die ersten Ackerbauern über Anatolien aus dem Nahen Osten. Nach 4000 v. Chr. muß es dann eine massive Einwanderung aus den südrussischen Steppen gegeben haben.
Gemäß der Kurgan-Hypothese von Marija Gimbutas sind die Indogermanen zwischen 4400 und 2200 v. Chr. in mehreren Wellen west-, süd- und ostwärts gezogen. Als Auslöser sieht sie eine lange Dürre, die moderne Geologen erst jüngst durch das Ende des bis dahin unbekannten ostmediterranen Monsun von 7000 bis etwa 4500 v. Chr. erklären konnten.

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